Inklusiv, interkulturell, generationenübergreifend und ökologisch nachhaltig Wohnen

Hinterm Regenbogen, Berlin

Portrait

Auf einen Blick

Idee: Ein Haus in Berlin Kreuzberg wurde 1981 vor dem Abriss bewahrt, durch die Bewohner*innen im Laufe der Zeit in eine zukunftsfähige, ökologisch vorbildliche Immobilie verwandelt und bietet Raum zum Leben und Arbeiten für eine vielfältige Hausgemeinschaft. Das Wohnprojekt ist eng verknüpft mit dem angrenzenden Kinder-, Kultur- und Nachbarschaftszentrum „Regenbogenfabrik“

Themen: Selbstverwaltung, bunte Gemeinschaft, Vernetzung in Kiez und Gesellschaft

Wo, seit wann: Berlin-Kreuzberg, Projekt seit 1981, Erbbaurechtsvertrag mit Stiftung trias seit 2020

Objekt: Ca. 1900 erbautes Mehrfamilienhaus mit rund 1.170 m² Wohn- und Nutzfläche. Individuell bewohnt werden eher kleinere Flächen, dafür stehen allen Gemeinschaftsflächen im Dach- und Erdgeschoss sowie ein Garten zur Verfügung. Das Haus erfüllt heute anspruchsvolle ökologische Kriterien u.a. mit Blockheizkraftwerk, Wärmedämmung, Gründach und Fassadenbegrünung, Regenwasseranlage. Das Wohnhaus und die angrenzende Regenbogenfabrik bereichern sich gegenseitig mit ihren Räumlichkeiten und Funktionen für Wohnen, kulturelles Leben, Handwerk, Netzwerken, Bildung, Austausch uvm.

Bewohnerschaft: Heute leben 35 Menschen zwischen 4 und 70 Jahren aus 9 Nationen im Haus

Beschreibung

1981 besetzte eine Gruppe junger Menschen das 2. Hinterhaus der Lausitzer Straße 22/23 in Berlin-Kreuzberg und das daran angrenzende Gelände der heutigen Regenbogenfabrik, um deren Abriss und die damit verbundene Neubauplanung zu verhindern. Auf dem alten Fabrikgelände wurde das Kinder-, Kultur- und Nachbarschaftszentrum Regenbogenfabrik gegründet. Im besetzten Nachbarwohnhaus fanden die meisten der Regenbogenaktiven im Wohnprojekt „Hinterm Regenbogen“ neuen Wohnraum. Allen gemeinsam war der Wunsch nach einem alternativen, basisdemokratischen gemeinsamen Leben, das in der Regenbogenfabrik in einer „Einheit von Wohnen, Leben und Arbeiten“ verwirklicht werden sollte. Das 2. Hinterhaus wurde zunächst mit einfachen Mitteln bewohnbar gemacht. Nachdem die Bewohner*innen einen 30-Jahres-Vertrag erwirkt hatten, begannen intensive Baujahre in Selbsthilfe mit öffentlicher Förderung – vom Fundament, das trockengelegt wurde, bis hin zum Dachausbau.

Seit dem Beginn des Projekts hat sich der Berliner Immobilienmarkt rasant verändert und es stellte sich die Frage, wie die grundlegenden Ziele des Wohnprojekts im 2. Hinterhaus – der Erhalt einer für alle bezahlbaren Miete und die Diversität der Bewohner*innen – trotz des wachsenden ökonomischen Drucks langfristig gesichert werden können. So kam 2018 die Kooperation mit der Stiftung trias zustande, um das Haus zu kaufen und mitsamt dem Boden, auf dem es steht, durch ein Erbbaurecht dauerhaft vor spekulativer Verwertung zu schützen.

Themen

  • Solidarität und Selbstverwaltung

    Solidarität miteinander zu leben und in das soziale Umfeld hineinzutragen bildet bei Hinterm Regenbogen die Basis für den Versuch, im alltäglichen Handeln Antworten auf aktuelle gesellschaftliche Fragen zu finden: „Was machen wir mit einer ökologisch bestimmt sinnvollen Regenwasseranlage, wenn aber die Wäsche riecht? Wie gehen wir angemessen mit Menschen um, die vor unserer Tür übernachten? Können wir geflüchtete Menschen aufnehmen?“ „Selber machen“ ist seit dem ersten Tag die Devise im Wohnprojekt Hinterm Regenbogen, und so wird immer wieder geredet, zugehört und ausgehandelt, um taugliche Antworten zu finden. Beschlüsse für die Hausgemeinschaft werden dann nach Konsensprinzip im Plenum getroffen.

  • Leben in bunter Gemeinschaft

    35 Menschen zwischen 4 und 70 Jahren, die ihren Ursprung in neun Nationen der Welt haben und in Kreuzberg ein Zuhause fanden, bilden die vielfältige Hausgemeinschaft von Hinterm Regenbogen. Menschen mit den unterschiedlichsten Berufen und Bildungshintergründen leben im Projekt, vom Volkswirt zum Schlosser, Sozialarbeiter*innen, Lehrende, Dipl. Ing., Tischler, Therapeutin, Schneider*innen und viele mehr. Menschen mit und ohne Behinderungen, mit und ohne Fluchthintergrund teilen hier ihren Alltag. Bewohner*innen der ersten Stunde teilen ihre Erfahrungen. Neue Bewohner*innen finden Raum, wachsen langsam in die Abläufe des Hauses hinein und bringen sich und ihre Talente ein.

  • Vernetzung in Kiez und Gesellschaft

    Hinterm Regenbogen ist weit vernetzt in Kiez und Gesellschaft. Das Haus ist eine Basis für ein vielfältiges gesellschaftliches Engagement seiner Bewohner*innen. Es besteht eine enge Verknüpfung mit der angrenzenden Regenbogenfabrik, die durch das dazugehörende Wohnhaus eine wichtige Unterstützung erfährt. Die Bewohner*innen des 2. Hinterhauses arbeiten ehrenamtlich und hauptamtlich in der Fahrradwerkstatt, im Büro der Regenbogenfabrik, organisieren Kulturveranstaltungen im Café und Kino. Referent*innen von außerhalb übernachten in ihren Gästezimmern. Gruppen, in denen Menschen der Hausgemeinschaft engagiert sind, finden Raum zum planen und diskutieren in den Gemeinschaftsräumen.

Gebäude

Die Menschen der Hausgemeinschaft Hinterm Regenbogen haben ihr Haus, das ursprünglich abgerissen werden sollte, „instand besetzt“ und mit großem persönlichem Einsatz in ein zukunftsfähiges Wohnprojekt verwandelt. Vom Schwamm befallene Holzböden wurden ausgetauscht, Doppelglasfenster eingebaut, Wasserstränge erneuert, Elektroleitungen neu verlegt, Bäder, Küchen und Wohnungstüren eingesetzt. Das Haus wurde wärmegedämmt, ein Gründach zur Verbesserung des Stadtklimas wurde angelegt. Eine inzwischen einwandfrei funktionierende Regenwasseranlage speist die Waschmaschinen und die Hausgemeinschaft betreibt ein gasbetriebenes Blockheizkraftwerk, welches das Wohnhaus und größtenteils auch die angrenzende Regenbogenfabrik mit Heizung, Warmwasser und Strom versorgt. Durch die gemeinsame Bewirtschaftung von Flächen und Gütern können weitere Ressourcen sinnvoll eingespart werden. Aus der dem Abriss geweihten Immobilie ist ein voll funktionierendes, ökologisch beispielhaftes Haus geworden.

Projekt und die Stiftung

Angesichts des zunehmenden Verwertungsdrucks auf dem finanzialisierten Berliner Boden- und Immobilienmarkt stehen Initiativen wie Hinterm Regenbogen vor der Herausforderung, ihr über Jahre gewachsenes und funktionierendes Miteinander sinnvoll in die Zukunft zu tragen, ohne dass die Grundlagen ihres Zusammenlebens zerstört werden. Die Bewohner*innen von Hinterm Regenbogen haben sich dafür entschieden, ihr Haus über die SelbstBau e.G. zu kaufen und als Solidargemeinschaft dem Immobilienmarkt zu entziehen. Die Stiftung trias hat diesen Schritt als Partnerin unterstützt und sichert die Ziele des Projekts und dessen Unverkäuflichkeit über einen 99-jährigen Erbbaurechtsvertrag dauerhaft ab.